Motorradreifen flicken: Was ist erlaubt im Falle einer Panne? Welche Möglichkeiten der Pannenhilfe und Reparatur gibt es?
Jeder Biker fürchtet die Reifenpanne. Und auch, wenn ein platter Motorradreifen durch eine Einfahrverletzung nicht alle Tage vorkommt, so sollten vorausschauende Motorradfahrer sich doch auf den Fall der Fälle einstellen, um souverän handeln zu können. Insbesondere auf langen Touren in unbekannten Regionen – fernab von Zuhause oder einer bekannten Werkstatt – gewinnt die schnelle Pannenhilfe enorm an Bedeutung.
Goodwheel fasst zusammen, auf welche Methoden Pannen-Biker beim Platten zurückgreifen können und wie nach dem Flicken weiter verfahren werden sollte. Ähnlich wie Autoreifen strengen Vorgaben zur Reparatur unterliegen, so ist der rechtliche und sicherheitskonforme Spielraum auch auf dem Gebiet der Motorradreifen eng definiert. Was ist also erlaubt und verboten, wozu wird geraten und wovon eher abgeraten?
Nagel rein, Luft raus: Trotz Reifenpanne entspannt auf Touren bleiben
Die Übeltäter lauern auf jedem Meter Straße: Nägel und Schrauben sind die üblichen Verdächtigen, aber auch Scherben und andere spitze oder scharfkantige Metallgegenstände können dem Motorradreifen schnell den Garaus machen. Es kann sich dabei um verlorene Ladung von LKW und Handwerker-Ladeflächen, um gelöste Teile anderer Fahrzeuge, um Überbleibsel von Baustellen oder um Spuren eines Unfalls handeln. Doch wodurch die verhängnisvolle Verletzung des Motorradreifens auch verursacht wird, im Endeffekt bedeutet sie: weniger Luftdruck, weniger Sicherheit, weniger Mobilität und mehr Stress.
Wer tourenerprobt ist oder zumindest häufiger längere Strecken auf dem Motorrad in Angriff nimmt, weiß um das mangelnde Platzangebot auf dem Bike. Jeder Kubikzentimeter im Gepäck und jedes Gramm Gewicht werden zurecht auf die Goldwaage gelegt. Entsprechendes Equipment für den gekonnten Umgang mit einer Reifenpanne hat da kaum Platz. Das sollte es aber – und ein Blick auf das Angebot der Pannenhilfe-Produkte zeigt, dass eine „Reifenwerkstatt to go“ auch durchaus kompakt sein kann. Unter dem Strich geht es darum, keinen Pannendienst rufen und sich in die nächste Werkstatt schleppen lassen zu müssen. Und damit ist wiederum auch eine erhebliche Kostenersparnis verbunden.
Schlauch oder schlauchlos: Unterschiede beim Flicken von Motorradreifen
Je nach Motorradreifentyp kommen verschiedene Methoden und Hilfsmittel zur Selbsthilfe in Frage. Dabei liegt der große Unterschied zwischen Reifen mit Schlauch (TT = Tube Type) und schlauchlosen Reifen (TL = Tubeless). Die Frage, ob Schlauchreifen oder Schlauchlosreifen mag je nach individuellen Biker-Vorlieben und Motorradkategorien variieren, jedoch herrscht hier in puncto Reifenflicken eine klare Abgrenzung.
Pannenspray ist ein längst bekanntes und universelles Mittel für allerlei Reifenpannen mit Luftbereifung. Das Spray ist meist in 300 bis 500 ml Dosen mit an Bord und kommt häufig auch bei Motorradreifen zum Einsatz, sowohl mit Schlauch als auch schlauchlos. Wie auch bei anderen Do-it-yourself-Pannenmaßnahmen gilt hier, dass der Reifen nach der Anwendung nicht mehr die Grundlage für eine professionelle Reparatur bietet.
Eine professionelle Reifenreparatur als dauerhafte Lösung ist möglich, aber umstritten – insbesondere von Seiten der Reifenhersteller oder nach der Einschätzung von Verkehrssicherheitsexperten. Dennoch: Im Vergleich zum akuten Notfall-Reifenflicken in Eigenregie ist eine Motorradreifen-Reparatur in der Werkstatt nach Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) als dauerhafte Lösung anerkannt. Paragraph § 36 befasst sich mit der Bereifung und beinhaltet damit auch die Vorgaben zur „Pannenhilfe“ und „Reparatur“ von Reifen.
Schlauchlose Motorradreifen flicken
Das allseits bewährte Pannenspray ist mit 300 bis 500 ml Volumen häufig schon zu groß für lange Motorradtouren. Als besonders wertvolle und praktikable Alternative erweist sich hingegen das Prinzip des Pannensets. Ein Pannenset besteht aus mehreren Komponenten, ist leicht und durch seine geringe Größe gut im Gepäck verstaubar. Pannensets gibt es von unterschiedlichsten Anbietern zu überschaubaren Preisen im Bereich zwischen 10 und 40 Euro. Das Angebot ist breit, doch das Grundprinzip und die Komponenten unterscheiden sich nur geringfügig.
Zunächst muss der Fremdkörper, meist eine Schraube oder ein Nagel, aus dem Reifen entfernt werden. Mit einer Reibahle wird das Loch im Motorradreifen dann für den weiteren Vorgang aufgeraut und gereinigt. Anschließend kommen Kautschukstreifen zum Einsatz, die mit Hilfe der Ahle tief in das Loch im Reifen hineingedrückt werden. In normalen Pannenfällen ist ein Kautschukstreifen für eine Einfahrverletzung ausreichend. Handelte es sich um einen größeren Fremdkörper oder wurde das Loch im ersten Schritt durch die Ahle sehr weit aufgerieben, so können auch zwei oder drei der Kautschukstreifen gleichzeitig in die Schadensstelle gedrückt werden.
Kautschukstreifen verhindern Luftverlust
Beim Herausziehen des Spezialwerkzeugs lösen sich die Gummiwülste und verschließen den Schaden im Reifen. Die überstehenden Kautschukstücke sollten dann mit einem ebenfalls im Set enthaltenen Messer abgeschnitten werden. Wichtig dabei ist, die herausragenden Streifen nicht bündig mit zur Profilfläche zu kappen, sondern lediglich auf ca. 6 mm zu kürzen. Je nach Set wird in dem beschriebenen Vorgang auch Kleber eingesetzt, der sowohl in das Loch als auch später auf die Profiloberfläche bzw. das herausragende Kautschuk (großzügig) aufgetragen wird.
Ebenfalls herstellerabhängig ist die Wirkzeit, bis der Motorradreifen wieder befüllt werden kann. Diese Dauer variiert von ca. 10 Minuten bis zu 1 oder 2 Stunden. Anschließend darf der Reifen wieder befüllt werden, was durch im Set enthaltene CO-Patronen erfolgt. Die Kartuschen werden mittels Schraubventil auf das Reifenventil gesetzt und per Drehbewegung geöffnet. In der Regel enthält ein Pannenset drei solcher CO-Kartuschen, die auch alle komplett in den Reifen gefüllt werden sollten. Das Reifenfüllen mittels CO-Patronen sollte ausschließlich mit Handschuhen erfolgen, da beim Entweichen des Inhalts aus den Kartuschen eine schlagartige Kälteentwicklung entsteht, wodurch die Haut an der Patrone festfrieren kann.
Akute Hilfe gegen Stillstand, aber keine dauerhafte Lösung
Mit Fokus auf die StVZO sowie auf die Angaben aller Pannenset-Hersteller ist solch ein Vorgang lediglich als vorübergehende Pannenhilfe zu werten, um den Weg zur nächsten Werkstatt antreten zu können. Empfohlen wird dabei meist, eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h nicht zu überschreiten. Doch trotz provisorischer Lösung: Pannensets stellen für viele Biker eine praktikable, kompakte und preisgünstige Wahl dar, mit der ihnen das Rufen des Pannendienstes erspart bleibt und schnelle Selbsthilfe möglich ist.
Ein Vorteil für Fahrer schlauchloser Reifen liegt zudem darin, dass sie ihre Reifen im Falle einer Panne auch mit einem Schlauch ausstatten dürfen, was im umgekehrten Sinne nicht zulässig ist. Als Schlauchlos-Biker zum Schlauch zu greifen, erweist sich vor allem dann als sinnvoll, wenn das Loch zu groß ist, um es konventionell zu flicken.
Motorradreifen mit Schlauch flicken
So einfach und schnell das Flicken eines TL-Motorradreifens mittels Pannenset vonstattengeht, ist es beim Schlauchreifen leider nicht. Statt ein Pannen-Kit griffbereit zu haben, empfiehlt es sich für Motorradfahrer auf Schlauchreifen, einen passenden Ersatzschlauch mit ins Gepäck zu nehmen. Im Gegensatz zur Anwendung eines Pannensets muss bei der Pannenhilfe an Schlauchreifen zwingend das Rad vom Motorrad demontiert werden. Vorab bleibt weiterhin zu erwähnen, dass Pannenarbeiten an Schlauchreifen abseits einer geeigneten Werkstattumgebung kaum ohne Felgenschäden möglich sind. Kratzer an Felgen sind dabei zwar ein kleines Ärgernis, aber im Falle einer echten Reifenpanne das geringere Übel.
Ein Knackpunkt des Schlauchwechsels liegt darin, dass der Mantel und die Felge meist sehr fest miteinander verbunden sind. Das Lösen voneinander erfordert starkes Werkzeug, Kraft, Geduld und bestenfalls zwei Personen. Zunächst sollte das Rad flach auf den Boden gelegt werden, um dann mit dem Fuß auf die Reifenflanke zu steigen und somit den Mantel von der Felge zu trennen. Reicht das Gewicht nicht aus oder ist der Reifen zu stark mit der Felge verbunden, kann auch mithilfe einer weiteren Person und des Ständers eines zweiten Motorrads der nötige Druck auf die Reifenflanke ausgeübt werden.
Unnötige Unwuchten vermeiden
Bevor der Reifen komplett von der Felge gelöst wird, empfiehlt es sich, eine Markierung an Felge und Reifen zu setzen, um diese später wieder in ihrer Ursprungsposition zusammenzusetzen. Dies dient der Vermeidung von Unwuchten. Zwar lassen sich durch die Pannenarbeiten neue Unwuchten nicht ausschließen, jedoch sind Motorradfahrer mit der Ausrichtung des gesamten Rades im Zustand vor der Panne am besten beraten. Insgesamt ist es von Vorteil, wenn die Reparaturarbeiten zügig erfolgen, denn ein warmer Reifen (durch vorherigen Betrieb) ist geschmeidiger und lässt sich deutlich leichter formen als im komplett erkalteten Zustand.
Sobald der Reifen ringsum von der Felge gelöst wurde, kann die Ventilmutter abgeschraubt und der Schlauch vorsichtig zwischen Mantel und Felge hervorgezogen werden. Um schnell weiterfahren zu können und die sicherste Variante zu wählen, sollte nach Möglichkeit ein neuer Schlauch eingesetzt werden. Die Alternative liegt darin, den beschädigten Schlauch zu flicken, was mittels handelsüblichem Flickzeug erfolgen kann. Sofern die Möglichkeit besteht, sollte der Schaden am Schlauch im Wasserbad geprüft werden. Das Eintauchen in Wasser zeigt durch Bläschenbildung nicht nur den ursprünglichen Schaden, sondern ggf. auch weitere Löcher, die in diesem Zuge direkt mit abgedichtet werden können und sollten.
Schlauch flicken und zurück zur Mobilität
Sind die Positionen der Löcher im Schlauch bekannt, werden zunächst die Regionen um die Löcher herum mit etwas Schleifpapier aufgeraut, damit Flicken und Kleber optimal haften können. Anschließend wird der Kleber aufgetragen. Nach einer kurzen Einwirkzeit von wenigen Minuten kommt der eigentliche Flicken zu Einsatz, der unter möglichst starkem Druck punktuell auf den Kleber gepresst wird. Hierbei empfiehlt es sich zum Beispiel, den Schlauch auf den Boden zu legen und das ganze Körpergewicht per Knie auf die Schadensstelle zu verlagern. Auch nach dem Aufbringen des Flickens ist eine gewisse Aushärtezeit dringend einzuhalten, bevor der Schlauch wieder montiert wird. Die Zeiten variieren von Hersteller zu Hersteller und sind der jeweiligen Gebrauchsanweisung zu entnehmen.
Auch die Montage des Schlauchs zurück aufs Rad zwischen Felge und Mantel erfordert Geschick und Geduld. Wichtige Voraussetzung ist dabei der leicht gefüllte Zustand des Schlauchs, der weder zu platt noch zu prall sein darf. Dieser geringe Luftdruck auf dem Schlauch hilft dabei, ihn vorsichtig und ohne neue Beschädigungen zurück an seinen Bestimmungsort zu bringen. Zunächst sollte das Ventil an Ort und Stelle gebracht werden und durch die Ventilmutter fixiert werden. Stück für Stück gilt es nun, den Schlauch unter den Felgenrand zu drücken und dabei Knicke oder Verdrehungen zu vermeiden.
Ist der Schlauch schließlich ganz in Position wird der Reifen wieder unter den Felgenrand gedrückt, um anschließend das gesamte Rad mit dem passenden Luftdruck zu füllen und zurück aufs Motorrad zu montieren.
Werkstatt only: Fachgerechte Reparatur oder Instandsetzung von Motorradreifen
Alle eigens durchgeführten Maßnahmen wie Pannenhilfe-Sets, Dichtflüssigkeiten oder geflickte Schläuche sind lediglich als kurzfristige Lösungen anzusehen, um selbstständig den Weg zur nächstgelegenen Werkstatt antreten zu können. In Werkstätten können dann je nach Gegebenheiten und Ausmaß des Schadens entsprechende Reparatur- oder Instandsetzungsmaßnahmen an Motorradreifen vorgenommen werden, die auch dauerhaft als solche zulässig sind.
Löcher im Reifen müssen dabei nach rechtlichen Vorgaben vollständig gefüllt und von innen (!) mit einem speziellen Dichtflicken versehen werden. Auch spezielle Gummikörper und ähnliche Maßnahmen sind möglich, um einen beschädigten Motorradreifen per Gesetz weiter auf der Straße bewegen zu dürfen. Wichtig ist vor allem, dass diese Reparatur oder Instandsetzung von Motorradreifen durch Fachleute und nach deren professioneller Schadensbegutachtung durchgeführt wird.
Handlungsfähig im Pannenfall: Das Wichtigste bei platten Motorradreifen
Wenn es ploppt und zischt ist das ärgerlich, aber wer vorbereitet ist nimmt es gelassener. Um sicherzugehen, dass eine Reifenpanne mit dem Motorrad lediglich eine kurze Pause bedeutet und nicht das Ende einer gesamten Tour, lohnt es sich, vorbereitet und informiert zu sein.
- Motorradreifen selbst flicken nur als Mobilitätsmaßnahme zur nächsten Werkstatt vorgesehen
- Dauerhafte und rechtlich anerkannte Reparatur nur durch Fachwerkstatt
- Rechtliche Unterscheidung zwischen „Pannenhilfe“ und „Reparatur“
- Alle Angelegenheiten zur Bereifung werden in der StVZO §36 behandelt
- Nichts geht über intakte Reifen: Reifenhersteller und Experten raten von Reifenreparatur ab
- DIY-Pannenhilfe: Unterschiedliche Methoden bei Schlauchreifen (TT) und schlauchlosen Reifen (TL)
- Schlauchreifen: Gesamtes Rad muss vom Motorrad demontiert werden
- Schlauchlos: Reifen kann auch im montierten Rad-Zustand geflickt werden
- Selbst geflickte/reparierte Reifen sind von späterer professioneller Reifenreparatur ausgeschlossen
- Schlauchlosreifen können auch mit Schlauch bestückt werden…
- … aber Schlauchreifen dürfen nicht ohne Schlauch bewegt werden
- Handschuhe bei allen Arbeiten des Reifenflickens dringend empfohlen (aus unterschiedlichen Gründen)
- Maßnahmen an Schlauchreifen nach Möglichkeit nicht allein durchführen